Das "Dreiländereck" – vom Nationaltrauma zum Treffpunkt der Völker

Autor/innen

  • Imre Gráfik

Abstract

Es ist bekannt, dass im Gebiet von Mitteleuropa die Friedensverträge nach dem Abschluss des Ersten Weltkrieges frühere hochtraditionelle Staatsgebilden zum Zerfall brachten und neue Staaten entstanden sind. Das Ungarntum hat die Geschehnisse als Nationaltrauma erlebt. In der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen hat diese Tatsache auf das politische und öffentliche Leben sein Petschaft aufgedrückt, dass ein bedeutender Teil der ungarischer Bevölkerung – im größten Ausmaß unter den europäischen Völkern – als Minderheit in den benachbarten Ländern zu leben gezwungen wurde. Das Leben der Nationen, der ethnischen Minderheiten ist nicht einmal in den heutzutage demokratisierenden Ländern und Gesellschaften eine tröstlich gelöste Frage – die Geschichte des Balkangebiets bekräftigt dieses.
Ungarn hat nach dem Ersten Weltkrieg vier Dreigrenzzonen gehabt. Von denen ist am gemeinsamen Grenzpunkt von Österreich-Ungarn-Serbisch-„Kroatisch-Slowenisches Königtum“ (von 1929 Jugoslawien, von 1992 Slowenien) ein Versöhnungsprozess zu verfolgen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Jahr 1949 an der westlichen Grenze der so genannte „Eiserne Vorhang“ gebaut. Das Dreieckland, das sich in der Grenzzone befand, gehörte somit zur verbotenen Zone. Das Jahr 1989 brachte dann die Wende und Veränderungen.
Nach dem Systemwechsel in Mitteleuropa und dem Zerfall von Jugoslawien eröffneten sich in den grenzüberschreitenden Kontakten neue Bedingungen und Möglichkeiten. Die Bewohner und Siedlungen der Kleinregion können sich mit verschiedener Intensität und Effizienz auf folgenden Gebieten an die sich aufeinander gründenden Ebenen anschließen: 1. Interpersonelle (verwandtschaftliche, freundschaftliche) Beziehungen, 2. Politik und öffentliches Leben, 3. Wirtschaft und Handel, 4. Kultur und Bildung, 5. Sport und Freizeit, 6. Tourismus und Fremdenverkehr, 7. Sonstige (zum Beispiel Zivilorganisationen, Naturschutz).
In der unmittelbaren Region der Dreiergrenze können auf den Gebieten der Eigentumsverhältnisse, des Lebensstandards und der Handlungsprogramme verschiedene Präferenzen festgestellt werden: Österreich: 1. Der bedingungslose und sich auf alles erstreckende Primat des Privateigentums, 2. Gewährleistung und Bewahrung des hohen Lebensstandards, 3. Individuelle, ausgesuchte Verbringung der Freizeit mit Qualitätsanspruch, – Slowenien: 1. Ausdehnung und Verstärkung des Privateigentums, 2. Erhöhung des Lebensstandards, 3. Verstärkung der nationalen Identität, – Ungarn: 1. Begründung und Ausbau des Privateigentums, 2. Erhöhung des Lebensstandards, 3. Vermehrung und Anhäufung von Gütern (hauptsächlich von materieller Natur).
Die Mikro-Region trennte sich vom lähmenden Erbe des nationalen Traumas. Die tägliche Begegnung der Völker und Kulturen ist trotz der kleineren oder größeren Schwierigkeiten ein wirksamer Faktor. Das ferne Ziel ist die Errichtung eines grenzübergreifenden, vielseitigen und differenzierten Beziehungssystems sowie schließlich das Erreichen einer multikulturellen, so genannten „territorialen Identität“ neuen Typs.

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Veröffentlicht

2007-06-01

Zitationsvorschlag

Gráfik, I. (2007). Das "Dreiländereck" – vom Nationaltrauma zum Treffpunkt der Völker. Zeitschrift für Balkanologie, 43(1). Abgerufen von https://zeitschrift-fuer-balkanologie.de/index.php/zfb/article/view/102

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