Die Präsentation sozialistischer Lebenswirklichkeit im kroatischen Kriminalroman der 1950er und 1960er Jahre
Abstract
Der Beitrag befasst sich mit dem „Eindringen“ von Lebenswirklichkeit der 1950er und 1960er Jahre in die Populärliteratur Jugoslawiens. Beide Bereiche, die Alltagskultur und die Kriminalliteratur im sozialistischen Jugoslawien sind bisher noch wenig bearbeitete Forschungsgebiete. Als Untersuchungsgegenstand der literatursoziologischen Studie dient der frühe kroatische Kriminalroman (1950er und 1960er Jahre), der sich im Staatssozialismus nur unter skeptischer Beobachtung der Kulturpolitik entwickeln konnte. Im Mittelpunkt stehen dabei die Sujets Arbeit, Wohlstand und Konsum die in der sozialistisch verfassten Gesellschaft sowohl in der inner- als auch außerliterarischen Kommunikation ideologisch belegt waren. Da ideologische Ansprüche und gesellschaftliche Wirklichkeit in Vielem auseinanderklafften, stellt sich die Frage, ob in den Kriminalromanen Lebenswelten kritisch dokumentiert werden oder ob das Genre im Sinne sozialistischer Ideologie instrumentalisiert wird. Diese Problemkomplexe werden anhand von Kriminalromanen der drei Autoren Antun Šoljan, Milan Nikolić und Branko Belan exemplifiziert.Aus der Analyse geht hervor, dass in den betrachteten Kriminalromanen keine kritische Thematisierung von Lebenswirklichkeit stattfindet und dass die Darstellung sozialer Wirklichkeit genregemäß den spannenden Handlungsverläufen unterworfen ist. Dennoch werden in den Romanen problematische Themen jugoslawischer Lebenswirklichkeit berührt: z.B. die Stadt-Land-Migration und die damit einhergehende Wohnungsknappheit in den Städten, Einkommens- und Prestigeunterschiede verschiedener Berufsgruppen und ein wenig leistungsfähiges Gesundheitssystem. Die Darstellung dieser Verhältnisse entfaltet aber in den Romanen weder ein kritisches Potential, noch stellten diese Fragen in außerliterarischen Diskursen der Zeit Tabuthemen dar.
Gleichzeitig findet in den Krimis aber auch keine dezidierte Propagierung sozialistischer Werte statt. Zwar wird die Arbeit der Polizei idealisiert, jedoch verzichten die Autoren auf die Gestaltung von „parteilichen Ermittlern“, wie sie z.B. im Kriminalroman der DDR begegnen. Einzig in der Zuweisung von Täter- und Opferrollen werden eindeutig systemkonforme Geschichtsdeutungen in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg vermittelt. Insgesamt kann das Schaffen der drei Kriminalautoren als Ausdruck einer Kompatibilität des Genres mit den Bedingungen des politisch, wirtschaftlich und kulturell bedingt liberalisierten zweiten Jugoslawien gewertet werden.
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