Der Campanile von Belussi (heute: Kypseli) auf der Insel Zante (Zakynthos). Ein unbekanntes venezianisches Baudenkmal des 18. Jahrhunderts
Schlagworte:
Campanile, ArchitekturAbstract
In der Vergangenheit wurde die Insel Zakynthos (venez./ital. Zante) in den Jahren 1893 und 1953 von schweren Erdbeben erschüttert, welche tragischerweise zahlreiche Bau- und Kunstdenkmäler unwiderruflich zerstört haben. In diesem Aufsatz wird ein kunsthistorisch unbekannter venez. Campanile aus dem Jahre 1778 erstmals detailliert behandelt, der erstaunlicherweise beide Beben überstanden hat. Das Bauwerk befindet sich in dem Dorf Kypseli (vormals Belussi) und ist damit nur wenige Kilometer nördlich der Inselhauptstadt gelegen. Durch das 1953er Beben wurde der Campanile aber schwer beschädigt und verlor sein Glockengeschoss (inkl. überlieferter Zwiebelhaube). Die beistehende „Panhagia“-Kirche wurde ebenso zerstört und sieht sich heute durch einen modernen und schmucklosen Zweckbau ersetzt. Der Campanile präsentiert sich momentan dennoch als intakte Ruine, die es zukünftig zu konservieren gilt. Das Bauwerk hat einen quadratischen Grundriss und ist zunächst durch eine Freitreppe, dann über ein inneres Treppenhaus erschlossen, durch welches man die Glockenplattform erreicht. Der Turm, der über einen Tordurchgang in den Kirchhof verfügt, ist durch ein elegantes Neo-Renaissance-Torportal geschmückt, das auf dem Torbogenschlussstein auch die Jahreszahl der Fertigstellung trägt. Im Untersuchungsgebiet (Verf. arbeitet an einer Monographie zum kolonialen Kirchenbau der Republik Venedig 1684–1797) existieren zwei grundlegend verschiedene venezianische Kirchturmtypen (16.–18.Jh.). Zum einen campanili mit quadratischen Basis des hier vorgestellten Typs, zum anderen, gibt es die campanella, welche auf langrechteckigem Grundriss aufgeführt wird. Der erstmaligen Beschreibung und Analyse des Bauwerks folgend, gelingt es nachzuweisen, dass das Bauwerk höchstwahrscheinlich vom letzten Interpreten des venezianischen Barock Bernardino Maccaruzzi (um 1728–1800) – oder von dessen Büro und Umfeld – für die offenbar zu Wohlstand gekommene orthodoxe Dorfbevölkerung entworfen wurde. Dies wirft ein interessantes Schlaglicht auf die baulichen Ambitionen venezianischer kolonialer Ortschaften im ausgehenden 18. Jh. und gestattet ein wertvolles Gegenargument zu der Einschätzung, welche diese Epoche als die des vermeintlichen soziokulturellen Verfalls und des Untergangs der Serenissima ansieht. Es beweist zudem den Wohlstand dieser kleinen orthodoxen Gemeinde, die sich damit einen hochqualitativen Bauentwurf aus der Hauptstadt Venedig leisten konnte, und welcher auch rein stilistisch hauptstädtischen Vorbildern und Vergleichsbauten nacheifert. Interessanterweise wird damit das Bauwerk auch zum wertvollen kulturhistorischen und überkonfessionellen Symbol der indigenen Akzeptanz und Aneignung typischer baulicher Ausdrucksformen der Republik Venedig in ihrem letzten Zeitabschnitt. Spuren farblicher Fassung deuten darauf hin, dass der Turm einst farbenfroh in Weiß (für die erhabenen Fassadenprofile) sowie in Himmelblau für die tieferen Fassadenflächen gefasst war und die Ortssilhouette einst weithin sichtbar freundlich strahlend zierte. In diesen Flächen sind zudem zahlreiche barocke Spiegelfelder eingelassen, in den einst farbig ausgeführte Heiligenportraits (Fresken) befindlich waren.Downloads
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