Glück und Unglück in einem serbischen Volksmärchen
Abstract
Glück und Unglück haben von jeher eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen wie auch persönlichen Leben der Menschen eingenommen. Kein anderes Gut wird von den Menschen als für so erstrebenswert gehalten wie das Glück, gleich, ob es sich dabei um materielles oder immaterielles Glück handelt. Es ist jedoch unausweichlich, beim Glück auch gleichzeitig das Unglück mit einzubeziehen, denn Glück gewinnt oft erst durch die Erfahrung eines Unglücks an Bedeutung. In der Literatur haben sich dabei besonders Märchen als herausragende Gattung hervorgetan, in der sowohl die positiven als auch negativen Seiten des Glückszustandes die Hauptrolle spielen und oft sehr nah beieinander liegen. Im vorliegenden Artikel wird zunächst eine etymologische Analyse der Begriffe „Glück“ und „Unglück“ im slawischen Raum vorgenommen, um einen Zusammenhang zwischen der sprachlichen und kulturellen Komponente herstellen zu können. Anschließend folgt eine Untersuchung des serbischen Volksmärchens „Božji sud“ [Das Gottesgericht], in der die slawischen Vorstellungen von „Glück“ und „Unglück“ verdeutlicht werden sollen. Hierbei zeigt sich, dass zahlreiche mythologische wie christliche Glücksvorstellungen ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren haben. Es fällt in dem untersuchten Märchen auf, wie sehr sich Mythologie und Christentum miteinander verbinden lassen, was ein Vergleich zwischen vorchristlichen Elementen (Baum, Wasser, Getreide) und biblischen Elementen (Zahlen, Apfel, Gestalt des Erzengels) aufzeigt. Das Volksmärchen als Gattung bietet sich für die Darstellung des Synkretismus besonders an, da es sowohl phantastische als auch Komponenten der alltäglichen Glaubens- und Lebenswelt der Protagonisten verbindet. Da Volksmärchen meist mündlich über mehrere Generationen hinweg überliefert werden, können sie in variierender Form in verschiedenen Volksgruppen einer Region auftreten. Grundelemente einzelner Märchen lassen sich demnach sowohl bei den Serben, als auch Bulgaren oder Rumänen wiederfinden. Dadurch lassen sich Charakteristika einzelner Kulturen und Regionen herausfiltern und können somit zu einem besseren Verständnis der spezifischen Lebensumstände führen. Beim Märchen „Božji sud“ lässt sich besonders aufzeigen, dass der Volksglaube bei aller Bemühung der christlichen Kirche nicht vollständig verdrängt werden konnte. Volksglaube und christlicher Glaube bestehen vielmehr nebeneinander und vermischen sich. Dies lässt sich auch heute noch auf viele traditionelle Bräuche und Rituale auf dem Balkan übertragen, wo es auf den ersten Blick nicht immer ganz eindeutig ist, ob es sich dabei um christliche oder vorchristliche Elemente handelt.Downloads
Zitationsvorschlag
Ausgabe
Rubrik
Lizenz
Mit Einreichung zur Veröffentlichung wird das Copyright für den jeweiligen Beitrag an den Harrassowitz Verlag / Zeitschrift für Balkanologie übertragen. Nach dem Erscheinen des Beitrags in der Zeitschrift für Balkanologie ist in Rücksprache mit der Redaktion und mit Hinweisen auf den Ort der Erstveröffentlichung eine Veröffentlichung an anderer Stelle möglich.
Es sollte sich bei eingereichten Beiträgen um Originalbeiträge handeln, die an keiner anderen Stelle in weitgehend gleicher Form oder mit weitgehend gleichen Inhalten veröffentlicht bzw. zur Veröffentlichung eingereicht wurden. Autor/innen müssen Sorge dafür tragen, dass sie das Copyright bzw. eine Nutzungslizenz für jegliches in einem Beitrag verwandte Material (z.B. Fotos) haben.