Die ungarische Operette

Autor/innen

  • Gabriella Schubert Friedrich-Schiller-Universität Jena

Abstract

Dieser Beitrag widmet sich der ungarischen Operette, die heute eine zentrale Position im Selbstbild der Ungarn einnimmt und Bestandteil der ungarischen nationalen Werte ist. Dies auch nach außen sichtbar werden zu lassen, ist ein wichtiges Ziel der staatlichen Kulturpflege im heutigen Ungarn. Daher unterhält und finanziert der Staat das Budapester Operettentheater. Dieses Operettentheater ist weltbekannt und genießt aufgrund seiner musikalisch und tänzerisch-akrobatisch einzigartigen Aufführungen hohes Ansehen.

In der Habsburgermonarchie gehörte die ungarische Operette in den größeren Rahmen der Wiener Operette und sie war in allen größeren Städten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie präsent. Mit Operetten aus anderen Regionen der Monarchie bildete sie ein Amalgam der verschiedenen Traditionen und eine Plattform der Völkerverständigung. Eine in der zentraleuropäischen Region intensive musikalische Interaktion prägte die Operettenmusik.

Während ihrer „goldenen Ära“ um Johann Strauß Sohn (1825–1899), Franz von Suppè (1819–1895) und Carl Millöcker (1842–1899) war die Operette, repräsentiert etwa im Der Zigeunerbaron (1885) von Johann Strauß Sohn, vor allem Ausdruck für das Lebensgefühl des gehobenen, liberalen städtischen Bürgertums. Ab etwa 1900, in der „silbernen Ära“ bildete sie zunehmend die städtischen Mittelschichten ab. Von den Nationalsozialisten wurde „silbern“ bewusst geprägt, um zu verdeutlichen, dass die Operetten dieser Phase von jüdischen Komponisten und Produzenten geprägt waren und daher weniger wert seien als jene der „goldenen Ära“. Dessen ungeachtet war dies die eigentliche Blütezeit des Genres Operette. Ab 1933 waren Operetten und deren Aufführungen vom Nationalsozialismus und dem Zwang vieler Künstlerpersönlichkeiten zur Emigration überschattet.

Adressat und auch Spiegelbild der Operette war das städtische Bürgertum. Lange hatten bildungsbürgerliche Schichten Vorbehalte gegenüber der Operette als einer wenig seriösen, leichten Unterhaltungsmusik, doch eine zunehmende Heterogenisierung der bürgerlichen Mittelschichten, die in der Monarchie um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und im weiteren Verlauf an Intensität gewann, veränderte den Musikgeschmack der Menschen und die Rolle der Kulturbetriebe. In Operetten wie Die Csardasfürstin, Die lustige Witwe oder Gräfin Mariza wurden auch politische Ereignisse und Entwicklungen thematisiert.

In dem umfangreichsten Abschnitt des Beitrags unter dem Titel Auf dem Weg zur ungarischen Operette wird zunächst auf den Vorreiter der ungarischen Operette, die verbunkos-Musik und ihre Darbietung durch Romamusiker sowie ihre Rolle im ungarischen populären Volkstheater (Népszinház) eingegangen. Es folgt die ausführliche Beschreibung der ungarischen Operette und deren Komponisten: Jenő Huszka (1875–1960) und Pongrácz Kacsóh (1873–1923) gelten als die Begründer einer eigenständigen ungarischen Operette, die sich zu Beginn des 19. Jh.s musikalisch sowohl von französischen als auch österreichischen Vorbildern befreite und ein eigenes musikalisches Idiom entwickelte. Seit Beginn des 20. Jh.s war dann die ungarische Operette ein Kernbestandteil der Operettenmusik in der Monarchie. Albert Szirmai (1880–1967), Viktor Jacobi (1883–1921), Franz/Ferenc Lehár (1870–1948) und Emmerich/Imre Kálmán und Emmerich/Imre Kálmán (1882–1953) waren die bedeutendsten Komponisten von ungarischer Seite.

Autor/innen-Biografie

Gabriella Schubert, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Wissenschaftlicher Werdegang

  • 1971-77 Studium der Slawistik und Balkanologie, FU Berlin; 1977 M.A.;
  • 1977-82 wissenschaftliche Assistentin, Abteilung Balkanologie des Osteuropa-Instituts der FU Berlin;
  • 1981 Promotion ebd. (Dissertation: Die ungarischen Lehnwörter im Serbokroatischen unter besonderer Berücksichtigung der Rückentlehnun­gen. Erschienen als Band 7 der „Balkanologischen Veröffentlichungen“, Berlin 1982);
  • 1982 Dissertations-Preis der Südosteuropagesellschaft;
  • 1991 Habilitation ebd. (Habilitationsschrift: Kleidung als Zeichen. Kopfbedeckungen im Donau-Balkan-Raum, erschienen als Band 20 der „Balkanologischen Veröf­fentlichungen“, Berlin 1993);
  • venia legendi und Lehrbefugnis für das Fach Balkanologie;
  • 1986-95 Akademische Rätin an der Abteilung Balkanologie,
  • ab 1993 kommissarische Leitung der Abteilung;
  • 1992 Gastprofessur an der Fakultät für Volkskunde der Eötvös-Universität Budapest;
  • Juli 1995 Ruf an die FSU Jena auf die Professur für Südslawistik;
  • neben Südslawistik Aufbau und seit WS 1997/98 Durchführung des interdis­zipli­nären Studiengangs „Südosteuropastudien“ sowie seit Oktober 2006 des von der DFG geförderten, insgesamt auf 9 Jahre konzipierten Graduiertenkol­legs „Kultu­relle Orientierungen und gesellschaftliche Ordnungsstrukturen in Südosteuropa“ an der FSU Jena.
  • Seit 2009 im Ruhestand, jedoch weitere Mitarbeit am obengenannten Graduiertenkolleg.
  • Über 200 Forschungsbeiträge zur Balkanologie, Südslawistik, Hungarologie und Kulturwissenschaft.

 

Mitgliedschaften, Auszeichnungen:

  • Auswärtiges Mitglied der Serbischen Akademie der Wissenschaften Belgrad; Auswärtiges Mitglied der Ungarischen Aka­demie der Wissenschaften Budapest;
  • Trägerin der Kon­stantin-Jireček-Medaille der Belgrader Universität;
  • Mitglied des Präsidiums der Südosteuropa-Gesellschaft;
  • Schriftführende Herausgeberin der „Zeitschrift für Balkanologie“ (Harrassowitz Verlag, Wies­baden);
  • Herausgeberin der Schriftenreihe Forschungen zu Südosteuropa. Sprache . Kultur . Lite­ratur. Harrassowitz Verlag Wiesbaden;
  • Mitherausgeberin der Publikationsreihe „Balkanologie – Sprachen und Kulturen“ (Wien)

 

Forschungsschwerpunkte:

  • Ethnologie und Folkloristik der Ethnien Südosteuropas;
  • Kultursemiotik; Identität und Abgrenzung im Donau-Balkan-Raum;
  • Das Eigene und das Fremde im Spiegel der Literatur;
  • Südslawische Erzähler der Gegenwart;
  • interethnische Kommunikation in Südosteuropa;
  • Kontaktlinguistik;
  • Sprache und Identität;
  • Deutsch-südslawische Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen;
  • Hungarologie;
  • Kulturgeschichte der Ungarn

Veröffentlicht

2023-12-21

Zitationsvorschlag

Schubert, G. (2023). Die ungarische Operette. Zeitschrift für Balkanologie, 59(1). Abgerufen von https://zeitschrift-fuer-balkanologie.de/index.php/zfb/article/view/665

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