Zu Ungarns geopolitischer Selbstverortung in Europa

Autor/innen

  • Gabriella Schubert

Abstract

Wo verorten sich Ungarns Bewohner geopolitisch in Europa? Diese und ähnliche Fragen beherrschen das ungarische geistige Leben seit Jahrhunderten, und die Suche nach einer Antwort auf diese Frage drängte sich insbesondere in Zeiten politischer Umbrüche in den Vordergrund. Sie hat am wenigsten etwas mit realen geographischen Gegebenheiten zu tun; vielmehr rekurriert sie auf eine mentale Kartierung, die sich in den Köpfen der Menschen abbildet und mit politischer, wirtschaftlicher und kultureller Potenz korrespondiert.
Ungarn ist Bestandteil der westlichen Welt – dies ist die gegenwärtige offizielle Selbstzuordnung der Regierung Orbán, und die Begründung dafür ist so einfach wie plausibel: Ungarn ist seit der politischen Wende im Oktober 1989 eine demokratische Republik, seit 1999 Mitglied der NATO und seit 2004 Mitglied der Europäischen Union. In der ersten Hälfte des Jahres 2011 hatte Ungarn zudem die EU-Ratspräsidentschaft inne. Diese Selbstsicht steht jedoch am Ende einer Entwicklung, die nicht geradlinig verlief. Bis 1989 hat sich Ungarn als in der Mitte Europas deklarieren können, da es das westlichste nicht-kapitalistische Land war bzw. sich an der Grenze zwischen Sozialismus und Kapitalismus befand. Dennoch wechselte die Selbstpositionierung auch während des Sozialismus zwischen den Zuordnungen zu Mitteleuropa, Osteuropa, Ostmittel-Europa und Mittel-Osteuropa. Im 21. Jh. ist diese Selbstzuordnung aus ungarischer Sicht nicht mehr überzeugend: Die sowjetische Expansionspolitik habe keine Relevanz mehr; das Ziel sei ein vereintes Europa und mit dem Begriff „Mitteleuropa“ könne Ungarn keinen Prestige-Gewinn erzielen.

Autor/innen-Biografie

Gabriella Schubert

Wissenschaftlicher Werdegang

  • 1971-77 Studium der Slawistik und Balkanologie, FU Berlin; 1977 M.A.;
  • 1977-82 wissenschaftliche Assistentin, Abteilung Balkanologie des Osteuropa-Instituts der FU Berlin;
  • 1981 Promotion ebd. (Dissertation: Die ungarischen Lehnwörter im Serbokroatischen unter besonderer Berücksichtigung der Rückentlehnun­gen. Erschienen als Band 7 der „Balkanologischen Veröffentlichungen“, Berlin 1982);
  • 1982 Dissertations-Preis der Südosteuropagesellschaft;
  • 1991 Habilitation ebd. (Habilitationsschrift: Kleidung als Zeichen. Kopfbedeckungen im Donau-Balkan-Raum, erschienen als Band 20 der „Balkanologischen Veröf­fentlichungen“, Berlin 1993);
  • venia legendi und Lehrbefugnis für das Fach Balkanologie;
  • 1986-95 Akademische Rätin an der Abteilung Balkanologie,
  • ab 1993 kommissarische Leitung der Abteilung;
  • 1992 Gastprofessur an der Fakultät für Volkskunde der Eötvös-Universität Budapest;
  • Juli 1995 Ruf an die FSU Jena auf die Professur für Südslawistik;
  • neben Südslawistik Aufbau und seit WS 1997/98 Durchführung des interdis­zipli­nären Studiengangs „Südosteuropastudien“ sowie seit Oktober 2006 des von der DFG geförderten, insgesamt auf 9 Jahre konzipierten Graduiertenkol­legs „Kultu­relle Orientierungen und gesellschaftliche Ordnungsstrukturen in Südosteuropa“ an der FSU Jena.
  • Seit 2009 im Ruhestand, jedoch weitere Mitarbeit am obengenannten Graduiertenkolleg.
  • Über 200 Forschungsbeiträge zur Balkanologie, Südslawistik, Hungarologie und Kulturwissenschaft.

 

Mitgliedschaften, Auszeichnungen:

  • Auswärtiges Mitglied der Serbischen Akademie der Wissenschaften Belgrad; Auswärtiges Mitglied der Ungarischen Aka­demie der Wissenschaften Budapest;
  • Trägerin der Kon­stantin-Jireček-Medaille der Belgrader Universität;
  • Mitglied des Präsidiums der Südosteuropa-Gesellschaft;
  • Schriftführende Herausgeberin der „Zeitschrift für Balkanologie“ (Harrassowitz Verlag, Wies­baden);
  • Herausgeberin der Schriftenreihe Forschungen zu Südosteuropa. Sprache . Kultur . Lite­ratur. Harrassowitz Verlag Wiesbaden;
  • Mitherausgeberin der Publikationsreihe „Balkanologie – Sprachen und Kulturen“ (Wien)

 

Forschungsschwerpunkte:

  • Ethnologie und Folkloristik der Ethnien Südosteuropas;
  • Kultursemiotik; Identität und Abgrenzung im Donau-Balkan-Raum;
  • Das Eigene und das Fremde im Spiegel der Literatur;
  • Südslawische Erzähler der Gegenwart;
  • interethnische Kommunikation in Südosteuropa;
  • Kontaktlinguistik;
  • Sprache und Identität;
  • Deutsch-südslawische Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen;
  • Hungarologie;
  • Kulturgeschichte der Ungarn

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Veröffentlicht

2012-10-14

Zitationsvorschlag

Schubert, G. (2012). Zu Ungarns geopolitischer Selbstverortung in Europa. Zeitschrift für Balkanologie, 48(2). Abgerufen von https://zeitschrift-fuer-balkanologie.de/index.php/zfb/article/view/317

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